"Wir waren wie Brüder" entwickelt den mitreißenden Sog eines Road Trips, obwohl die Figurgen der Geschichte anscheinend kaum von der Stelle kommen. Wie in Honig, so schreibt es der Autor, bewegen sie sich, wie in Zeitlupe.

Das Buch erzählt an siche eine einfache Coming of Age-Geschichte. Die Hauptperson ist 10 Jahre alt als die Mauer fällt. Vorher war alles klar. Der Vater war NVA Offizier, die Mutter leitende Angestellte in einer LPG. Alles war geregelt und die Mauer schütze vor Faschisten und dem bösen Kapitalismus.

Doch dann wird alles anders. Alte Werte gelten nicht mehr, die Eltern haben genug damit zu tun, ihren Platz in der neuen Gesellschaft zu finden, die Sorgen und Nöte des Jungen spielen keine Rolle mehr.

Zwischen den Verlockungen des Westens, denen er eher misstrauisch gegenübersteht und den Erinnerungen an die gute alte Zeit wurschtelt er sich durch seine Jugend und versucht möglichts wenig anzuecken. Sodass er am Ende eigentlich nur wegen seiner langen Haare nicht selbst zum Nazi wird, troztdem er immer noch mit seinen Kindheitsfreunden rumhängt, die diesen Weg gewählt haben.

Der namenlose Anti-Held des Romans weiß, dass es falsch ist, was seine rassistisch und rechtsextrem eingestellten Kumpels von sich geben. Aber er geht dennoch abends mit ihnen feiern, weil es sich in ihrer Gegenwart sicherer lebt, weil sie hart sind und cool, weil es sich gut anfühlt, wenn die anderen Gäste im McDonalds den Blick senken.

Daniel Schulz erzählt "Wir waren wie Brüder" in ungewöhnlich kurzen Kapiteln, treffenden Bildern und in einem Ton, der durch die sprachliche und physische Gewalt immer wieder Humor durchschimmern lässt. Ein sehr authentisches, gut lesbares Buch, welches manche Entwickungen der Gegenwart verständlicher macht.